Der Winter kommt!

Im Frühling meines Lebens begrüßte ich jede Veränderung und konnte es kaum erwarten, sie zu erleben.
So viele "erste Male", so viele Möglichkeiten.
So viel unerwarteter Frost und eisiger Wind.
Das Erwachsenwerden konnte gar nicht schnell genug gehen.
Die Warnung "Der Winter kommt!" war rein hypothetisch.
"Beuge deine Knie." "Achte auf deine Haut."
"Wähle den zuverlässigen Freund, nicht den aufregenden."

Aber wozu? Ich wollte mit meiner ganzen Lebenskraft in die Welt stürmen.

Der Sommer kam mit großen Schritten.
Die Tage waren lang genug für eine Karriere, die Nächte warm genug für Spaß.
Das Pflücken der frühen Früchte erforderte einige Anstrengungen, aber es zahlte sich aus.
Ich bekam einen Mann, ein Baby, ein Haus.
Ich war unbesiegbar.
Gewitter gab es viele, aber sie klärten die Luft und gingen vorbei.
Der Winter kommt!
Ja, ich weiß. Aber ich bin zu beschäftigt, zu pleite, es gibt im Moment zu viel zu tun.

Später wird es schon irgendwie weiter gehen.
Es gibt andere Prioritäten, die wichtiger sind als Altersvorsorge, die Entschleunigung oder die Achtsamkeit.

Fast unbemerkt hat der Herbst Einzug gehalten.
Die Tage werden kürzer, das Tempo langsamer.
Körper und Geist zeigen Anzeichen von Verschleiß und von den Stürmen, die sie überstanden haben.
Ich ernte jetzt die langsam wachsenden Früchte: tiefe Beziehungen, Achtsamkeit und Geduld.
Der Winter kommt!
Ich merke es. Jetzt ist ist es real.

Der Winter. Die Zeit für ein Ende.
Zeit der Hoffnung und der Vorfreude auf neue Anfänge.
Die Zeit, in der meine Seele ruht und nachdenkt.

Bis dahin werde ich weiterhin anderen Schutz bieten, ich werde Früchte tragen und in meinen leuchtendensten Farben erstrahlen.

Denn Veränderung ist Leben, und ich bin lebendig.

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